Abgeordnetenpauschale:Privileg der Politiker

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Die Aufwandspauschale für Bundestagsabgeordnete ist steuerfrei - jetzt verhandelt der Bundesfinanzhof über dieses Privileg.

M. Völklein

Für Gerhard Troll war kein Platz mehr in der ersten Reihe. Der Handwerker aus Mainz, einer von drei Klägern, die sich am Donnerstag vor dem Bundesfinanzhof (BFH) in München gegen die steuerfreie Aufwandspauschale der Abgeordneten wandten, musste in die zweite Stuhlreihe ausweichen. Vorne, am Tisch mit dem Schild "Revisionskläger", nahmen die "Robin Hoods des deutschen Steuerrechts" Platz, wie Beobachter sie nennen.

Revisionskläger, die "Robin Hoods des deutschen Steuerrechts", stehen im Sitzungssaal II des Bundesfinanzhofs in München hinter ihren Plätzen. (Foto: Foto: dpa)

Also der Hannoveraner Finanzrichter Michael Balke, der Steuerfachanwalt Christian Winterhalter und als dessen Prozessbevollmächtigter der Steuerexperte Bernd Neufang - alles Leute vom Fach. Anders als Handwerksmeister Troll. Und bedacht darauf, im Fernsehen gut rüberzukommen.

Schon vor Beginn der Verhandlung erläutern sie ihre Beweggründe für die Klagen in die TV-Kameras. Sie schimpfen über eine "eklatante Ungerechtigkeit" und wollen "nur, dass sich die Abgeordneten dem gleichen Recht unterwerfen müssen, das sie auch dem normalen Steuerbürger zumuten".

Die Regelung widerspreche der Verfassung

Denn während die Abgeordneten des Bundestages eine Pauschale von 45.384 Euro im Jahr geltend machen können und dafür keinerlei Nachweise dem Finanzamt vorlegen müssen, verlangen die Finanzbehörden vom normalen Steuerbürger zum Beispiel ein Fahrtenbuch oder einzelne Rechnungsbelege, wenn er mehr als die Werbungskostenpauschale von 920 Euro von der Steuer absetzen möchte.

"Dieses Privileg, ein Drittel des Einkommens einfach steuerfrei zu erhalten, möchte ich auch", sagt Balke. Die Regelung widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung.

Hinzu kommt: Die Pauschale, mit denen die Ausgaben der Abgeordneten für zum Beispiel das Wahlkreisbüro oder die Zweitwohnung in Berlin abgedeckt werden, erhält jeder Abgeordnete - also auch jene 15 Prozent der Abgeordneten, die gar keine Zweitwohnung in Berlin unterhalten; etwa weil sie direkt in der Bundeshauptstadt wohnen.

Im Prozess legten die Kläger diese Argumente ausführlich dar. Und verwiesen dabei auch auf die Pendlerpauschale, über die das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt hatte. Während diese Pauschale vom Gesetzgeber gekürzt wurde, passt sich die Pauschale der Abgeordneten seit 1996 jedes Jahr um die Preissteigerung automatisch an. Das erinnere an einen "Selbstbedienungsladen", sagte ein Prozessbevollmächtigter.

Abgeordnete dürften nicht kontrolliert werden

Vertreter der beklagten Finanzämter und der Staatsrechtler Christian Waldhoff verteidigten die Pauschale. Die Tätigkeit als Abgeordneter sei nicht vergleichbar mit anderen Berufen. Die Verfassung stelle die freie Mandatsausübung unter einen besonderen Schutz. Ohne die Pauschale hätten Finanzämter etwa die Möglichkeit, ein politisches Bewegungsprofil eines Abgeordneten zu erstellen.

Aufgabe eines Abgeordneten sei es aber unter anderem, die Verwaltung zu kontrollieren. Müsse er nun der Verwaltung detaillierte Auskünfte über seine Ausgaben geben, hätte diese die Möglichkeit, ihn zu kontrollieren. Das widerspreche der verfassungsrechtlich gebotenen Unabhängigkeit des Abgeordneten.

Seine Entscheidung wird der BFH am 2.Oktober bekanntgeben. Balke und die anderen Kläger hoffen, dass er die bestehenden Regeln anzweifeln und den Fall an das Bundesverfassungsgericht weiterleiten wird. Steuerexperte Neufang, der am Donnerstag als Prozessbevollmächtigter auftrat, arbeitet unterdessen an einem weiteren BFH-Verfahren, mit dem er für mehr Steuergerechtigkeit sorgen will.

Er wehrt sich gegen teils hohe Gebühren, die Finanzämter für verbindliche Auskünfte zu Steuerfragen verlangen. Schließlich mache der Staat das Steuerrecht undurchschaubar, kassiere dann aber ab. Verhandeln werde der BFH darüber Anfang 2009, sagt Neufang und freut sich bereits: "Dann werden hier wieder die Kameras auftauchen."

© SZ vom 12.09.2008/pir - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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