Die Weiterentwicklung des Binnenmarkts ist eine der prioritären Aufgabe der nächsten Jahre.
Vor diesem Hintergrund wurde der ehemalige italienische Premierminister Enrico Letta vom Europäischen Rat mit der Erstellung eines hochrangigen Berichts zur Zukunft des Binnenmarkts beauftragt. Die Bundesregierung und das BMWK hatten sich intensiv in den Prozess eingebracht. Enrico Letta hat den Bericht am 18. April 2024 den Staats- und Regierungschefs vorgestellt. Darin würdigt Letta angesichts des zunehmenden geopolitischen Wettbewerbs die zentrale Rolle des EU-Binnenmarkts für die Position der EU in der Welt und formuliert eine Vielzahl von Empfehlungen für verschiedene Bereiche des Binnenmarkts. Als übergeordnete Prioritäten für die nächste Legislatur identifiziert er die Frage der Finanzierung einer fairen, ökologischen und digitalen Transformation des Binnenmarkts, die konsequente und geordnete Erweiterung der EU sowie den Ausbau europäischer Produktionskapazitäten der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Daneben fordert er unter anderem die weitere Harmonisierung im Energie‑, Digital- und Finanzbereich sowie die Beschleunigung des innereuropäischen Infrastrukturausbaus.
Der Bericht Lettas ist in die politischen Leitlinien für die EU-Kommission 2024 – 2029 eingeflossen, welche deren Arbeit der nächsten Jahre prägen werden. Außerdem ist die EU-Kommission aufgefordert, bis Sommer 2025 eine horizontale Binnenmarktstrategie vorzulegen, an der die Arbeiten bereits begonnen haben.
Die EU-Kommissionspräsidentin hat zudem Mario Draghi mit der Erstellung eines Berichts zur Wettbewerbsfähigkeit der EU beauftragt. Der Bericht wurde am 9. September vorgelegt. Der Draghi Bericht gliedert sich in einen strategischen Teil und eine umfassende, vertiefende Analyse mit konkreteren Vorschlägen. Er identifiziert mehrere Kernherausforderungen: die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft, insb. im Bereich bahnbrechender Technologien, zu stärken, die Dekarbonisierung der Wirtschaft, zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell für die europäische Industrie und Innovationstreiber zu machen („neue Industriestrategie“) und die Verteidigungsfähigkeit zu stärken sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten abzubauen.
In die Diskussionen zur Zukunft des Binnenmarkts und zur Wettbewerbsfähigkeit fügt sich auch ein neuer Prozess zur Überwachung und Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der EU anhand von neun „Treibern“ und diesen zugeordneten Leistungsindikatoren ein, mit dessen Errichtung der Europäische Rat die EU-Kommission beauftragt hat. Der Binnenmarkt als erster „Treiber“ hat hier eine prominente Rolle. Der daraus folgende erste Politikzyklus hat am 14. Februar 2024 begonnen. Dort hat die EU-Kommission den jährlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbsfähigkeitsbericht als Teil des neuen Berichtspakets veröffentlicht.
Nach Leistungsindikator 1 (Integration im Binnenmarkt) verbesserte sich beispielsweise das Handelsvolumen für den intergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr von 2021 auf 2022. Das Ergebnis spricht grundsätzlich für eine positive Entwicklung. Allerdings zeigt sich auch, dass der Vorsprung des Integrationsniveaus vom Warenverkehr im Vergleich zum Dienstleistungsverkehr nur gering geschrumpft ist und dass die Integration im Dienstleistungsverkehr daher weiter adressiert werden muss. Einen wichtigen Beitrag dazu kann die im Bericht aufgeführte Initiative der Europäischen Kommission zur Etablierung eines einheitlichen entsenderechtlichen Registrierungsformats (eDeclaration) und zur Erarbeitung eines entsprechenden EU-weit einheitlichen multilingualen Registrierungsportals leisten (s. ausführlich unter Dienstleistungen).
Das BMWK setzt sich im Bereich der Binnenmarktpolitik dafür ein, den Europäischen Regulierungsrahmen konsequent an den grünen und digitalen Wandel anzupassen, um die Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen sowie den Zugang zu Finanzierungen für Unternehmen zu verbessern. Es gilt, Handelshemmnisse weiter abzubauen und dabei gleichzeitig hohe Standards zu setzen.
Im Produktbereich wurden – z.B. mit der Ökodesign-Verordnung – ambitionierte Harmonisierungsprozesse begonnen. Ein zentrales Element besteht darin, die Bürokratie dort abzubauen, wo sie als unnötig oder inkohärent erachtet wird, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten. Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes ist außerdem die Erarbeitung und Harmonisierung europäischer Normen wichtig. Nähere Informationen zum Thema Normung hier.
Für die erfolgreiche Transformation ist zudem die Mobilisierung von vorrangig privatem Kapital erforderlich und damit die Vertiefung der Kapitalmarktunion. Ebenso ist die Förderung von Investitionen in die grenzüberschreitende Infrastruktur entscheidend. Die weitere Integration des Energiebinnenmarktes ist von größter Bedeutung, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen und Strompreise langfristig spürbar zu senken.
Ebenso wichtig ist die Fortentwicklung des digitalen Binnenmarkts. Nähere Informationen zu den Maßnahmen der EU und des BMWK hier.
Gleichzeitig arbeiten die EU und die Mitgliedstaaten daran, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der EU und ihrer Industrie zu stärken und kritische Abhängigkeiten zu verringern. Beiträge zur Förderung von Diversifizierung, Resilienz und Nachhaltigkeit im Binnenmarkt und global leisten unter anderem die EU-Verordnungen zur Stärkung der heimischen Produktion von strategisch wichtigen Gütern (wie etwa der European Chips Act, der Critical Raw Materials Act und der Net Zero Industry Act) sowie die aktuelle Wirtschaftssicherheitsstrategie der EU und eine ehrgeizige, auf Offenheit basierende EU-Handelsagenda.
In den jüngsten Krisen hat sich außerdem gezeigt, dass der Binnenmarkt gerade in Krisensituationen besonderen Herausforderungen ausgesetzt sein kann, sein Funktionieren aber gleichzeitig unabdingbar für die Bewältigung der Krise ist. Das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (Internal Market Emergency Resilience Act – IMERA) dient der Verbesserung der Resilienz und Krisenvorsorge in der EU sowie der Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit in zukünftigen Krisen. Zur Umsetzung der IMERA-Verordnung sind insbesondere in den Mitgliedstaaten Verbindungsbüros für die Kommunikation im Krisenfall sowie zentrale Anlaufstellen für die Information von Bürgern und Bürgerinnen einzurichten. Nähere Informationen in der Pressemittelung des BMWK.