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EU-Binnenmarkt Ein gemeinsamer Markt für mehr als 450 Millionen Menschen

Einleitung

EU-Flaggen vor dem EU-Parlament zum Thema EU-Binnemarkt

© iStock.com/AdrianHancu

Der Europäische Binnenmarkt ist das Kernstück der EU. Ein Raum „ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“ – so wird der europäische Binnenmarkt in Artikel 26 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) definiert.

Der EU-Binnenmarkt mit den vier Grundfreiheiten der Warenverkehrsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit, der Personenfreizügigkeit und der Kapitalverkehrsfreiheit wird zu Recht als eine der größten Errungenschaften der Europäischen Integration bezeichnet.

Der ungehinderte Warentransport über unsere Binnengrenzen ist heute ebenso unverzichtbar geworden wie das ungehinderte Reisen und Niederlassen für EU-Bürger und -bürgerinnen innerhalb der Europäischen Union und weitgehend auch des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), zu dem Island, Liechtenstein und Norwegen gehören. Darüber hinaus ist die Schweiz über bilaterale Verträge mit dem Binnenmarkt verbunden.

Die Schaffung des Binnenmarkts beinhaltet zum einen die Beseitigung verbleibender Hindernisse für den freien Warenverkehr. Das Weißbuch der EU-Kommission (1985) enthielt daher eine Auflistung der physischen und technischen Hindernisse sowie der Maßnahmen, die die Gemeinschaft zu deren Beseitigung zu ergreifen hatte. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) [auch: »Vertrag von Luxemburg«] wurde am 28.2.1986 von 12 Mitgliedstaaten unterzeichnet und trat am 1.7.1987 in Kraft. Durch sie sollte bis zum 31.12.1992 der Binnenmarkt als »Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags gewährleistet ist«, schrittweise verwirklicht werden.

Zum praktischen Funktionieren des EU-Binnenmarktes wesentlich beigetragen hat zudem die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen, die im Jahr 1985 zwischen den Vertragsstaaten des sog. Schengener Abkommens Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande verabredet wurde. Dem sog. Schengenraum gehören mittlerweile fast alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Zyperns sowie Irlands an, zudem die Nicht-EU-Mitglieder Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen geht mit harmonisierten Kontrollen an den Außengrenzen einher. Die Einführung der gemeinsamen Währung, des Euro, ließ das Zusammenwachsen der Märkte zu einem einheitlichen europäischen Binnenmarkt auch nach außen erkennbar werden.

Mit Blick auf das in der EEA vereinbarten Ziel, bis zum 31.12.1992 die wichtigsten Handelshindernisse abzuschaffen, wird der 1.1.1993 als das Datum der Schaffung des Binnenmarkts bezeichnet. Daher hat die EU im Jahr 2023 das 30-Jährige Bestehen des Binnenmarkts gewürdigt und gefeiert.

Heute ist die EU – zusammen mit den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) Island, Liechtenstein und Norwegen – einer der größten barrierefreien und integrierten Wirtschaftsräume der Welt mit mehr als 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern und über 24 Millionen Unternehmen. Er generiert 14 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (Stand 2024) und hat für eine Verdopplung des innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs gesorgt.

Die Wirtschaftskraft und Größe des Binnenmarktes ist die Voraussetzung dafür, dass europäische Unternehmen gegenüber Unternehmen anderer großer Wirtschaftsräume wie der USA oder China wettbewerbsfähig bleiben.

Die engen Verbindungen zwischen der EFTA und dem EU-Binnenmarkt sind eine Erfolgsgeschichte, die gepflegt und vertieft wird. Eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit diesen Ländern ist angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen wichtiger denn je.

Der Binnenmarkt ist kein statisches Gebilde, sondern muss sich entsprechend den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Veränderungen weiterentwickeln. Die aktuellen Diskussionen der EU fokussieren sich auf die notwendige Ausrichtung des Binnenmarkts auf die ökologische und digitale Transformation zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft. Denn der Binnenmarkt spielt beim Übergang zu einer klimafreundlicheren und kreislauforientierten Wirtschaft eine entscheidende Rolle und hat eine weltweite Vorbildfunktion. Mit dem ‚Green Deal‘ und dem Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, hat die EU den Rahmen auch für die künftige Ausgestaltung des Binnenmarkts gesetzt. Ein gut funktionierender, gestärkter und zukunftsfähiger Binnenmarkt ist Voraussetzung dafür, dass die EU im Wettbewerb großer Wirtschaftsräume globale Standards setzen und langfristig global wettbewerbsfähig sein kann.

30 jahre europäischer Binnenmarkt Bild vergrößern

Binnenmarktpolitik

Der Binnenmarkt als Schlüssel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Die Weiterentwicklung des Binnenmarkts ist eine der prioritären Aufgabe der nächsten Jahre.

Vor diesem Hintergrund wurde der ehemalige italienische Premierminister Enrico Letta vom Europäischen Rat mit der Erstellung eines hochrangigen Berichts zur Zukunft des Binnenmarkts beauftragt. Die Bundesregierung und das BMWK hatten sich intensiv in den Prozess eingebracht. Enrico Letta hat den Bericht am 18. April 2024 den Staats- und Regierungschefs vorgestellt. Darin würdigt Letta angesichts des zunehmenden geopolitischen Wettbewerbs die zentrale Rolle des EU-Binnenmarkts für die Position der EU in der Welt und formuliert eine Vielzahl von Empfehlungen für verschiedene Bereiche des Binnenmarkts. Als übergeordnete Prioritäten für die nächste Legislatur identifiziert er die Frage der Finanzierung einer fairen, ökologischen und digitalen Transformation des Binnenmarkts, die konsequente und geordnete Erweiterung der EU sowie den Ausbau europäischer Produktionskapazitäten der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Daneben fordert er unter anderem die weitere Harmonisierung im Energie‑, Digital- und Finanzbereich sowie die Beschleunigung des innereuropäischen Infrastrukturausbaus.

Der Bericht Lettas ist in die politischen Leitlinien für die EU-Kommission 2024 – 2029 eingeflossen, welche deren Arbeit der nächsten Jahre prägen werden. Außerdem ist die EU-Kommission aufgefordert, bis Sommer 2025 eine horizontale Binnenmarktstrategie vorzulegen, an der die Arbeiten bereits begonnen haben.

Die EU-Kommissionspräsidentin hat zudem Mario Draghi mit der Erstellung eines Berichts zur Wettbewerbsfähigkeit der EU beauftragt. Der Bericht wurde am 9. September vorgelegt. Der Draghi Bericht gliedert sich in einen strategischen Teil und eine umfassende, vertiefende Analyse mit konkreteren Vorschlägen. Er identifiziert mehrere Kernherausforderungen: die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft, insb. im Bereich bahnbrechender Technologien, zu stärken, die Dekarbonisierung der Wirtschaft, zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell für die europäische Industrie und Innovationstreiber zu machen („neue Industriestrategie“) und die Verteidigungsfähigkeit zu stärken sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten abzubauen.

In die Diskussionen zur Zukunft des Binnenmarkts und zur Wettbewerbsfähigkeit fügt sich auch ein neuer Prozess zur Überwachung und Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der EU anhand von neun „Treibern“ und diesen zugeordneten Leistungsindikatoren ein, mit dessen Errichtung der Europäische Rat die EU-Kommission beauftragt hat. Der Binnenmarkt als erster „Treiber“ hat hier eine prominente Rolle. Der daraus folgende erste Politikzyklus hat am 14. Februar 2024 begonnen. Dort hat die EU-Kommission den jährlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbsfähigkeitsbericht als Teil des neuen Berichtspakets veröffentlicht.

Nach Leistungsindikator 1 (Integration im Binnenmarkt) verbesserte sich beispielsweise das Handelsvolumen für den intergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr von 2021 auf 2022. Das Ergebnis spricht grundsätzlich für eine positive Entwicklung. Allerdings zeigt sich auch, dass der Vorsprung des Integrationsniveaus vom Warenverkehr im Vergleich zum Dienstleistungsverkehr nur gering geschrumpft ist und dass die Integration im Dienstleistungsverkehr daher weiter adressiert werden muss. Einen wichtigen Beitrag dazu kann die im Bericht aufgeführte Initiative der Europäischen Kommission zur Etablierung eines einheitlichen entsenderechtlichen Registrierungsformats (eDeclaration) und zur Erarbeitung eines entsprechenden EU-weit einheitlichen multilingualen Registrierungsportals leisten (s. ausführlich unter Dienstleistungen).

Das BMWK setzt sich im Bereich der Binnenmarktpolitik dafür ein, den Europäischen Regulierungsrahmen konsequent an den grünen und digitalen Wandel anzupassen, um die Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen sowie den Zugang zu Finanzierungen für Unternehmen zu verbessern. Es gilt, Handelshemmnisse weiter abzubauen und dabei gleichzeitig hohe Standards zu setzen.

Im Produktbereich wurden – z.B. mit der Ökodesign-Verordnung – ambitionierte Harmonisierungsprozesse begonnen. Ein zentrales Element besteht darin, die Bürokratie dort abzubauen, wo sie als unnötig oder inkohärent erachtet wird, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten. Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes ist außerdem die Erarbeitung und Harmonisierung europäischer Normen wichtig. Nähere Informationen zum Thema Normung hier.

Für die erfolgreiche Transformation ist zudem die Mobilisierung von vorrangig privatem Kapital erforderlich und damit die Vertiefung der Kapitalmarktunion. Ebenso ist die Förderung von Investitionen in die grenzüberschreitende Infrastruktur entscheidend. Die weitere Integration des Energiebinnenmarktes ist von größter Bedeutung, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen und Strompreise langfristig spürbar zu senken.

Ebenso wichtig ist die Fortentwicklung des digitalen Binnenmarkts. Nähere Informationen zu den Maßnahmen der EU und des BMWK hier.

Gleichzeitig arbeiten die EU und die Mitgliedstaaten daran, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der EU und ihrer Industrie zu stärken und kritische Abhängigkeiten zu verringern. Beiträge zur Förderung von Diversifizierung, Resilienz und Nachhaltigkeit im Binnenmarkt und global leisten unter anderem die EU-Verordnungen zur Stärkung der heimischen Produktion von strategisch wichtigen Gütern (wie etwa der European Chips Act, der Critical Raw Materials Act und der Net Zero Industry Act) sowie die aktuelle Wirtschaftssicherheitsstrategie der EU und eine ehrgeizige, auf Offenheit basierende EU-Handelsagenda.

In den jüngsten Krisen hat sich außerdem gezeigt, dass der Binnenmarkt gerade in Krisensituationen besonderen Herausforderungen ausgesetzt sein kann, sein Funktionieren aber gleichzeitig unabdingbar für die Bewältigung der Krise ist. Das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (Internal Market Emergency Resilience Act – IMERA) dient der Verbesserung der Resilienz und Krisenvorsorge in der EU sowie der Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit in zukünftigen Krisen. Zur Umsetzung der IMERA-Verordnung sind insbesondere in den Mitgliedstaaten Verbindungsbüros für die Kommunikation im Krisenfall sowie zentrale Anlaufstellen für die Information von Bürgern und Bürgerinnen einzurichten. Nähere Informationen in der Pressemittelung des BMWK.

Dienstleistungen

Vertiefung des Binnenmarktes für Dienstleistungen

Die EU-Kommission strebt an, das Potenzial des EU-Binnenmarktes im Dienstleistungssektor stärker zu nutzen. Ein wichtiger Schritt dahin war die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG, mit der bürokratische Hindernisse abgebaut und grenzüberschreitende Dienstleistungen gefördert werden sollen. Nachfolgende EU-Gesetzesinitiativen berücksichtigen insbesondere die fortschreitende Digitalisierung im Dienstleistungssektor und die zunehmende Bedeutung des E-Commerce.

So schafft die Geoblocking-Verordnung 2018/302/EG die Grundlage für einen diskriminierungsfreien grenzüberschreitenden Online-Handel mit Waren und Dienstleistungen in der EU. Die im Dezember 2018 in Kraft getretene Verordnung ergreift Maßnahmen gegen die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Anbietern und Kunden, d.h. Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie endnutzenden Unternehmen, aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Kunden und Kundinnen bei dem grenzüberscheitenden Erwerb von Waren und Dienstleistungen. Die Verordnung soll die Kunden und Kundinnen in die Lage versetzen, überall in der EU wie Einheimische einzukaufen und damit das Prinzip „shop like a local“ für den EU- Binnenmarkt zu verankern. Zentrale Bestimmungen der Geoblocking-Verordnung betreffen den Zugang zu Online-Benutzeroberflächen und gleiche Bedingungen beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen, einschließlich der Zahlungsbedingungen. Die Bundesnetzagentur ist in Deutschland die zuständige Stelle für die Durchsetzung der Geoblocking-Verordnung. Beschwerden und Anfragen können der Bundesnetzagentur über ein niederschwelliges Online-Tool übermittelt werden, das von Kunden, die Geoblocking erleben, gut angenommen wird.

Die ausverhandelte und im ersten Halbjahr 2024 in Kraft getretene Verordnung (2024/1028) zur kurzfristigen Vermietung möblierter Unterkünfte, die über Online-Plattformen vermarktet werden, ist ein weiteres gutes Beispiel für eine gezielte, sektorspezifische Vertiefung im Bereich des digitalen EU-Binnenmarktes, die dem rasant zunehmenden Angebot von Unterkünften insbesondere an Touristen über Online-Plattformen wie Airbnb oder Booking.com Rechnung trägt. Gemäß der Verordnung sollen digitale Strukturen in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten geschaffen werden, damit die zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten regelmäßig verlässliche und qualitativ hochwertige Daten über die Vermietungsaktivitäten auf Online-Plattformen erhalten und so ihre politischen und regulatorischen Maßnahmen passgenau konzipieren und wirksam durchsetzen können.

Von grundlegender Bedeutung für den Ausbau eines einheitlichen europäischen Dienstleistungsbinnenmarktes ist weiterhin der Abbau unnötiger Bürokratie im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung. Die unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Registrierungsanforderungen der 27 europäischen Mitgliedstaaten mit den entsprechenden Registrierungsportalen stellen die Unternehmen, insbesondere die KMU, vor große Herausforderungen bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen. So setzt sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für ein einheitliches europäisches entsenderechtliches Registrierungsformat – der sog. eDeclaration - und ein einheitliches Portal für die arbeitsrechtliche Entsendemeldung ein, bei dem perspektivisch auch die Beantragung von A1-Bescheinigungen – soweit notwendig – mit erledigt werden kann. Dazu hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Kabinettklausur in Meseberg am 29./30. August 2023 bekannt. Weiterhin hat sich Deutschland im Rahmen des Wettbewerbsfähigkeitsrates am 24. Mai 2024 gemeinsam mit acht weiteren EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die mittlerweile fertiggestellte eDeclaration in einem ersten Schritt in nationales Recht umzusetzen und anzuwenden. Das BMWK steht im engem Austausch mit der Europäischen Kommission und anderen EU-Mitgliedstaaten, damit die Arbeiten an einem einheitlichen entsenderechtlichen Portal auf europäischer Ebene zügig fortgesetzt werden.

Von besonderer Bedeutung für die Schaffung eines Binnenmarktes für Dienstleistungen ist auch die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen der Unionsbürger und -bürgerinnen in den Mitgliedstaaten. Die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG macht für reglementierte Berufe inhaltliche Vorgaben für die Anerkennungsentscheidung und enthält Regelungen zum Verfahrensablauf in den Mitgliedstaaten. Reglementierte Berufe sind dabei solche Berufe, deren Ausübung durch Gesetz an bestimmte Qualifikationen geknüpft ist. Reglementierungen gibt es vor allem dort, wo besondere Ansprüche an die Qualitätssicherung bestehen oder ein hohes Ausbildungsniveau gesichert werden soll. Dabei müssen die Anforderungen durch übergeordnete Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Über die Anforderungen für die einzelnen reglementierten Berufe in Deutschland sowie in anderen Mitgliedstaaten können sich Bürgerinnen und Bürger in der Datenbank Regulated Professions informieren.

Geschäftsleute; Quelle: iStock.com/Bim

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SOLVIT - Effiziente Problemlösung in Europa

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Durchsetzung von Binnenmarktvorschriften

Bessere Durchsetzung und Anwendung von Binnenmarktvorschriften

Mitgliedstaaten und EU-Kommission tragen eine gemeinsame Verantwortung für die korrekte Anwendung bestehender Binnenmarktregelungen. Die in den letzten Jahren etablierte Zusammenarbeit im Sinne eines partnerschaftlichen Ansatzes sollte fortgeführt und intensiviert werden. Sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen können nur dann in vollem Umfang vom Binnenmarkt profitieren, wenn EU-Vorschriften ordnungsgemäß umgesetzt und durchgesetzt werden. Deshalb ist die Stärkung pragmatischer Problemlösungsmechanismen entscheidend.

Um den Implementierungsdruck in den Mitgliedstaaten zu erhöhen, veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich das Single Market and Competitiveness Scoreboard Online. Es besteht aus drei Evaluierungsteilen. Im ersten Teil, dem Durchsetzungsteil, misst die EU-Kommission die Performance der Mitgliedstaaten betreffend sechs Durchsetzungsinstrumente. Relevant sind beispielsweise die Anzahl der nicht fristgerecht umgesetzten Binnenmarktrichtlinien sowie die Arbeitsweise der SOLVIT-Stellen.

Ein pragmatischer alternativer und kostenloser Problemlösungsmechanismus ist etwa das SOLVIT-Netzwerk, das Unternehmen sowie Unionsbürgerinnen und -bürger einschalten können, wenn ihre EU-Rechte bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit verletzt werden. Die Grundsätze für die Arbeitsweise von SOLVIT werden in der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission dargelegt.

Weitere Informationen über die Arbeit des SOLVIT-Netzwerkes erhalten Sie hier.

Ein weiteres pragmatisches Instrument ist die Single Market Enforcement Taskforce (SMET). Diese wurde 2020 eingerichtet. Ihr Ziel ist es, die Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktregeln in den Mitgliedstaaten zu stärken und die dringendsten Binnenmarkthindernisse zu beseitigen. SMET ist ein innovatives Forum, in dem EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission zusammenarbeiten.
SMET-Themenprojekte konzentrieren sich auf konkrete Hindernisse für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger im Binnenmarkt, z.B. übermäßiger Verwaltungsaufwand bei Anforderungen an grenzüberschreitende Dienstleister, und bei Genehmigungsverfahren für Wind- und Solarenergieprojekte. Dabei werden Hindernisse identifiziert und Mitgliedstaaten zur Beseitigung ermuntert, aber auch best practices entwickelt, die Mitgliedstaaten implementieren können.

Einen wesentlichen Beitrag zur einheitlichen Anwendung und Durchsetzung von EU-Recht spielt außerdem eine effektive Marktüberwachung. Seit 2021 findet die neue Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 in der EU Anwendung.

Wettbewerbsfähigkeitsrat

Rat für Wettbewerbsfähigkeit (Wirtschaftsteil)

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat (Teil Wirtschaft) ist einer von 10 Formationen, in welchen der Rat der EU tagt. Die Mitgliedstaaten sind im Rat der EU durch die jeweiligen Fachministerinnen und -minister vertreten. Das BMWK vertritt die Bundesregierung regelmäßig im Wettbewerbsfähigkeitsrat (Teil Wirtschaft). Der Rat der EU erlässt zusammen mit dem Europäischen Parlament die EU-Gesetze, wobei das Initiativrecht bei der EU-Kommission liegt.

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat (Teil Wirtschaft) deckt die Bereiche Binnenmarkt, Industrie, KMU und Raumfahrt ab und ergreift ratsseitig die Maßnahmen der EU zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Die EU hat in der Legislatur 2019 – 2024 mit dem European Green Deal und dem Green Deal Industrial Plan den Rahmen für die zukunftsgerichtete Weiterentwicklung des Binnenmarkts und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie geschaffen. Im Wettbewerbsfähigkeitsrat wurden in der Legislatur 2019 – 2024 für die ökologische und digitale Transformation unserer Industrie wegweisende Legislativdossiers beschlossen, wie etwa der Digital Services Act, der Digital Markets Act, der European Chips Act, die Ökodesign-Verordnung, der Critical Raw Materials Act und zuletzt der Net Zero Industry Act.

Zudem wurden im Bereich Raumfahrt 2021 die bisherigen EU-Weltraumkomponenten durch die Verordnung zur Einrichtung des Weltraumprogramms der Union (2021/696) vereint. Sie zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskapazität innerhalb der Union, insbesondere der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), Start-ups und innovativer Geschäftsmodelle sowie die Bewältigung aktueller Herausforderungen wie die Bekämpfung des Klimawandels, zu unterstützen.

Mit Blick auf die künftige Gestaltung des Binnenmarkts und der europäischen Industrie wurden beim Wettbewerbsfähigkeitsrat im Mai 2024 Ratsschlussfolgerungen angenommen, die zuvor zwischen den Mitgliedstaaten verhandelt worden waren. Nähere Informationen dazu hier.

Die Stärkung des Binnenmarkts, der Industrie und damit der Wettbewerbsfähigkeit Hand in Hand mit der Weiterentwicklung des Green Deals soll somit auch in den nächsten Jahren Schwerpunkt der Arbeiten des Wettbewerbsfähigkeitsrats sein. Diese werden konkret an den oben erwähnten Ratsschlussfolgerungen sowie dem Arbeitsprogram der EU-Kommission, aufbauend auf ihren politischen Leitlinien ausgerichtet.

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat (so wie die anderen Ratsformationen) tritt regelmäßig zweimal unter Vorsitz der jew. EU-Ratspräsidentschaft zu formalen Ratssitzungen zusammen. Neben den formalen Ratstagungen finden einmal pro Präsidentschaftshalbjahr informelle Treffen der für Wettbewerbsfähigkeit zuständigen Ministerinnen und Minister statt. Sie dienen primär dem offenen und allgemeinen Austausch über die künftige strategische Ausrichtung des Rates oder der Vorbereitung von Debatten zu umstrittenen bzw. zukunftsweisenden Themen.

Der Rat wird von zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen unterstützt. Die Ratsarbeitsgruppen werden auf Fachebene wahrgenommen und sind die erste Ebene, auf der EU-Vorhaben inhaltlich diskutiert werden. Ziel der Ratsarbeitsgruppen ist es, eine Entscheidungsgrundlage für den Ausschuss der Ständigen Vertreter zu erarbeiten, der als zentrales Vorbereitungsgremium des Rates gilt. Neben den ständigen Ratsarbeitsgruppen existieren sog. Hochrangige Gruppen, die die Arbeit des Rates bezogen auf spezifische Fachthemen vorbereiten. Die Hochrangige Gruppe "Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum" bereitet die Tagungen des Wettbewerbsfähigkeitsrates in Bezug auf den Wirtschaftsteil vor, wobei der Gruppe keine Legislativfunktion zukommt.

Aktenordner zum Thema Bürokratieabbau

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Bessere Rechtsetzung

Bessere Rechtsetzung auf EU-Ebene

Die Bundesregierung misst Besserer Rechtsetzung größte Bedeutung bei, auch auf EU-Ebene. Sie ist Kern- und zugleich Daueraufgabe guter Politik. Ziel ist, die Effektivität und Innovationsfreundlichkeit des EU-Regulierungsrahmens zu erhöhen, um dadurch einen Beitrag zur nötigen grünen und digitalen Transformation zu leisten und damit auch den Binnenmarkt sowie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen.

Auf europäischer Ebene vertritt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz federführend die Interessen der Bundesregierung für den Bereich Bessere Rechtsetzung - unter anderem im Wettbewerbsfähigkeitsrat.

Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau haben auch bei der EU-Kommission einen hohen Stellenwert. In den vergangenen 20 Jahren wurde hier viel erreicht. Der Rahmen auf EU-Ebene wird bestimmt durch die Agenda der EU-Kommission zur Besseren Rechtsetzung. Die EU-Kommission verfolgt u.a. das Ziel, Berichtspflichten um 25 % abzubauen bzw. zu vereinfachen, ohne politischen Ziele zu untergraben. Im Rahmen ihres Arbeitsprogramms 2024 hat die EU-Kommission im Oktober 2023 hierzu erste Vorschläge vorgelegt. Die Bundesrepublik Deutschland erkennt die Fortschritte an, mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU und eine erfolgreiche Transformation bedarf es aber noch weiterer Anstrengungen. Mit einer gemeinsamen Bürokratieentlastungsinitiative haben Deutschland und Frankreich die EU-Kommission daher im Oktober 2023 aufgefordert, einen Maßnahmen-Plan zur Entlastung der Unternehmen (insb. KMU) zu entwickeln. Das gemeinsame Papier enthält mehrere Vorschläge (u. a. Einführung eines Bürokratiekostenindex und Durchführung von sog. Praxischecks auf EU-Ebene).

Im Rahmen ihrer Neuaufstellung hat die EU-Kommission u. a. die Einführung von „Reality Checks“ (= Praxischecks) als neuen Ansatz bei der Identifizierung unnötiger Bürokratie angekündigt und hierdurch die Forderung der Bundesregierung aufgegriffen.

Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich seit Jahren für eine konsequente Umsetzung der bestehenden Instrumente der Besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene ein, insb. für die konsequente Durchführung von Folgenabschätzungen.

Auch Reallabore (engl. „regulatory sandboxes“) gewinnen als Instrument für die digitale und nachhaltige Transformation europaweit stark an Bedeutung. Sie bieten – oft auf Basis von Experimentierklauseln – neue Möglichkeiten für die rechtssichere Erprobung von Innovationen, ermöglichen regulatorisches Lernen und schaffen Räume für gesellschaftliche Partizipation. Die Nutzung dieser Instrumente sollte insofern ausgeweitet werden.

Weiter läuft das bereits Ende 2012 vorgestellte REFIT-Programm (REFIT - EU Regulatory Fitness and Performance Programme) . Es sorgt mit Vereinfachungen des bestehenden Rechts für mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit des europäischen Regulierungsrahmens. Hiervon profitiert vor allem der Mittelstand, auf den neue EU-Regelungsvorhaben erhebliche Auswirkungen haben können. Teil des REFIT-Programms ist die seit 2021 bestehende „Fit for Future“-Plattform. Experten aus Regierungen (Vertretung der Bundesrepublik Deutschland durch das BMWK) und Interessenverbänden erörtern hier Vereinfachungsvorschläge zu einzelnen EU-Regelungsbereichen, die jährlich in einem Jahresprogramm festgelegt werden. Die in der Plattform am Jahresende abgestimmten Empfehlungen für Vereinfachungen kann die EU-Kommission in der Folge für ihr Arbeitsprogramm berücksichtigen und ggf. entsprechende legislative Änderungsvorschläge unterbreiten.

Einzelheiten zu den jeweiligen Instrumenten der Besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene können den im November 2021 aktualisierten Richtlinien und dem Instrumentenkasten (engl. „toolbox“) für bessere Rechtsetzung entnommen werden.

EU-Flagge zu Europäische Wirtschaftspolitik; Quelle: iStock.com/instamatics

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Folgenabschätzung/Evaluierung

Folgenabschätzung und Evaluierung von EU-Initiativen

Zu Beginn der Arbeit an einem neuen Gesetz oder einer neuen Initiative bewertet die EU-Kommission zunächst in einer Folgenabschätzung die möglichen Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Folgenabschätzungen machen die Vorteile und Kosten politischer Entscheidungen transparenter und legen damit die Grundlage für qualitativ noch bessere Rechtsvorschriften. Einzelheiten zu Folgenabschätzungen enthalten die im November 2021 aktualisierten Richtlinien und der Instrumentenkasten (engl. „toolbox“) für bessere Rechtsetzung.

Der Ausschuss zur Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board - RSB) überprüft die Folgenabschätzungen und Ex-post-Evaluierungen der EU-Kommission. Durch seine Zusammensetzung aus fünf hochrangigen Kommissionsbeamten (darunter die Vorsitzende) und vier externen Sachverständigen wurde seine Unabhängigkeit gegenüber dem bisherigen, rein kommissionsinternen Ausschuss für Folgenabschätzung gestärkt.

Einen wesentlichen Aspekt der Folgenabschätzungen bilden die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen ("Vorfahrt für KMU"). Deshalb prüft die EU-Kommission

  • im Rahmen des Wettbewerbsfähigkeitstests, inwieweit neue Regelungsvorhaben sich auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auswirken, und
  • im Rahmen des im "Small Business Act" eingeführten KMU-Tests, ob KMU-spezifische Sondervorschriften (z.B. Ausnahmen oder Modifizierungen bestimmter Regelungen) in Erwägung gezogen werden sollten, weil KMU im Vergleich mit größeren Unternehmen von den Auswirkungen europäischer Regelungsvorhaben überdurchschnittlich belastet werden (Europäische Mittelstandspolitik).

Der Rat der Europäischen Union hat wiederholt die wichtige Rolle der Folgenabschätzungen für die Verbesserung der Gesetzgebungsqualität hervorgehoben. Die Bundesregierung unterstützt Bemühungen, einen praktikablen und vermittelbaren Weg zu finden, damit in Zukunft auch der Rat bei eigenen wesentlichen Änderungsvorschlägen Folgenabschätzungen durchführen kann.

Auch das Europäische Parlament hat in der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst eine eigene Direktion für Folgenabschätzung und Europäischen Mehrwert eingerichtet, um selbst Folgenabschätzungen zu erstellen und die der EU-Kommission zu überprüfen.

Die EU-Kommission muss politische Entscheidungen auf EU-Ebene effektiv und transparent gestalten. Hierzu trägt das Instrument der Evaluierung bei. Durch Evaluierung erlangt die EU-Kommission zuverlässige und objektive Erkenntnisse darüber, wie relevant, wirksam und wirtschaftlich eine Regulierung ist.

Evaluierung bedeutet, dass die EU-Kommission den gesamten politischen Entscheidungsprozess und den vollständigen Lebenszyklus eines Rechtsaktes in den Blick nimmt. So kann sie die erzielten Ergebnisse erfassen und deren Qualität verbessern - vom Entwurf über die Umsetzung und Durchführung bis hin zur Bewertung und Überarbeitung.

Die Evaluierung einer Regulierung kann vorab als sogenannte Ex-ante-Bewertung (= Folgenabschätzung), während (= Zwischenbewertung) oder nach dem Zeitpunkt der Genehmigung einer Maßnahme (= Ex-post-Bewertung) erfolgen.

Bei der ex-post Evaluierung von EU-Regelungen setzt die Bundesregierung sich für eine ganzheitliche und vollzugsbezogene Betrachtung einzelner Fallkonstellationen und Investitionsvorhaben ein mit einem breiten Bürokratiebegriff. Die Bundesregierung hat hiermit auf nationaler Ebene gute Erfahrungen gemacht, insb. bei der Identifizierung unnötiger bürokratischer Hemmnisse im Bereich der ökologischen Transformation (sog. Praxischecks). Dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich von der bisherigen Herangehensweise beim Bürokratieabbau und stößt auf sehr positive Resonanz im Mittelstand. Die Bunderegierung setzt sich daher für die Durchführung von Praxischecks auch auf EU-Ebene ein.

Ergänzend zur Evaluierung führt die EU-Kommission in ausgewählten Politikfeldern übergreifende sogenannte Eignungstests ("Fitness Checks") durch. Mit diesem Instrument der Ex-post-Bewertung sollen übermäßige Verwaltungslasten, Überschneidungen, Diskrepanzen, Inkonsistenzen oder obsolete Maßnahmen identifiziert werden.

Einzelheiten zur Evaluierung und zu "Fitness Checks" enthalten die im November 2021 aktualisierten Richtlinien und der Instrumentenkasten (engl. „toolbox“) für bessere Rechtsetzung.

Infografik zur Folgenabschätzung

© BMWK