Ende der Mehrwertsteuerreform MwSt-Erhöhung 2021: Wie Sie die Rückkehr zu 19 Prozent gut meistern

Die Mehrwertsteuersenkung auf 16 Prozent hat die meisten Unternehmer kalt erwischt. Auf die MwSt-Erhöhung bzw. Rückkehr zu 19 Prozent zum Jahreswechsel 2020/2021 können sie sich nun besser vorbereiten. Was Unternehmer schon jetzt prüfen und in die Wege leiten können.

Von 19 auf 16 Prozent Mehrwertsteuer und wieder zurück in gerade einmal sechs Monaten. Die Mehrwertsteuerreform stellt Unternehmer vor Herausforderungen. - © Matthias Stolt - stock.adobe.com

Die Mehrwertsteuerreform war prinzipiell eine gute Idee. Zum einen sollte die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen von Privatkunden wegen der günstigeren Preise gesteigert werden. Zum anderen können durch die Corona-Krise finanziell belastete Unternehmer ihre Gewinnspanne erhöhen, sofern sie die geringere Mehrwertsteuer nicht an die Kunden weitergeben und die alten Preise beibehalten. Doch die Mehrwertsteuerreform ist bis zum Ende des Jahres begrenzt. Deshalb müssen Unternehmer spätestens jetzt aktiv werden.

Doch noch Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung denkbar?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Olaf Scholz verneinen die Frage von Politikern, Verbänden und Unternehmern, ob die Mehrwertsteuersenkung wegen der anhaltenden Corona-Krise nicht vielleicht doch in die nächste Runde gehen sollte – zumindest bis 30. Juli 2021.

Der Grund für diese ablehnende Haltung : Die Mehrwertsteuersenkung sollte dazu führen, dass kurzfristig die Nachfrage der Privatverbraucher gesteigert und somit die Auftragsbücher deutscher Unternehmer gefüllt werden sollten. Würde die Bundesregierung die Mehrwetsteuer dauerhaft senken, würde dieser Effekt verpuffen.

Praxis-Tipp: Doch aufgrund des neuen harten Lockdowns sind durchaus Szenarien denkbar, dass die Mehrwertsteuersenkung doch noch kurzfristig in die Verlängerung geht. Doch Stand heute müssen Unternehmer davon ausgehen, dass ab dem 1. Januar 2021 die Mehrwertsteuersätze wieder bei 19 Prozent und sieben Prozent liegen. Unternehmer müssen also dringend Vorkehrungen treffen, um die umsatzsteuerlichen Spielregeln pünktlich ab 1. Januar 2021 zu erfüllen.

So bereiten Sie sich auf die auslaufende Mehrwertsteuerreform vor

Unternehmer sollten spätestens jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, um in ihren Rechnungen ab 1. Januar 2021 den richtigen Mehrwertsteuersatz auszuweisen.

Derzeit fallen als Regelsteuersatz 16 Prozent Umsatzsteuer an, beim ermäßigten Steuersatz sind es fünf Prozent. Ab 1. Januar 2021 muss dann wieder der Regelsteuersatz von 19 Prozent und als ermäßigte Umsatzsteuer der siebenprozentige Umsatzsteuersatz in Rechnungen ausgewiesen werden.

Damit es mit der Umstellung von den bisherigen auf die neuen Umsatzsteuersätze ab 1. Januar 2021 ohne Verzögerungen klappt, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

Empfehlung 1: Betroffene Systeme identifizieren

Lokalisieren Sie, in welchen Buchhaltungssystemen die neuen Umsatzsteuersätze ab 1. Januar 2021 hinterlegt werden müssen (z.B. elektronische Kasse, PC-Kasse, Buchhaltungsprogramm, Software, mit der Rechnungen erstellt werden). 

Empfehlung 2: Termin vereinbaren

Beantragen Sie zügig mit dem Hersteller dieser Produkte einen Termin, an dem die Umstellung stattfinden kann.

Praxis-Tipp: Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte eine Klausel in die Beauftragung aufnehmen, die vor einer Zahlungsverpflichtung schützt, sollte die Mehrwertsteuersenkung entgegen der Ankündigung von Kanzlerin Merkeldoch noch über den 31. Dezember 2020 hinaus verlängert werden und der Termin zur Anpassung durch das Fachunternehmen nicht notwendig werden.

Empfehlung 3: Offene Aufträge prüfen

Teilen Sie die einzelnen Leistungen, die zum Jahreswechsel noch offen sind oder sich in Bearbeitung befinden auf und legen Sie zusammen mit Ihrem Steuerberater fest, wie die Rechnungsstellung aussehen muss. Hintergrund: Die neuen Umsatzsteuersätze 2021 werden nur fällig, wenn eine Lieferung oder Leistung ab dem 1. Januar 2021 ausgeführt (beendet) wird.

Beispiel: Sie haben im Oktober 2020 einen Auftrag von einem Kunden über netto 5.000 Euro erhalten, der voraussichtlich im Januar 2021 abgeschlossen wird. Folge: Da die Leistung im Januar 2021 als ausgeführt gilt, müssen Sie in der Rechnung 19 Prozent Umsatzsteuer ausweisen.

Variante: Sie haben im Oktober 2020 einen Auftrag von einem Kunden über netto 5.000 Euro erhalten, der im Dezember 2020 abgeschlossen wird. Die Rechnungsstellung erfolgt aber frühestens im Januar 2021. Folge: Da die Leistung im Dezember 2020 als ausgeführt gilt, müssen Sie in der Rechnung 16 Prozent Umsatzsteuer ausweisen. Der Zeitpunkt der Rechnungsstellung spielt bei der Frage nach dem korrekten Umsatzsteuersatz keine Rolle.

Vorsicht bei Vereinbarung von Teilleistungen im zweiten Halbjahr 2020

Erbringen Sie Handwerkerleistungen an Privatkunden und haben einen Nettobetrag plus Umsatzsteuer vereinbart, werden diese Kunden verständlicherweise darauf pochen, dass die Leistung noch im Jahr 2020 abgeschlossen (ausgeführt) wird, damit nur 16 Prozent Umsatzsteuer fällig werden.

Ist der Abschluss der gesamten Leistung in 2020 nicht mehr zu schaffen, kommt alternativ die Ausführung und Abrechnung von Teilleistungen im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 in Betracht. In diesem Fall werden für im zweiten Halbjahr 2020 erbrachte Teilleistungen nur 16 Prozent Umsatzsteuer fällig und nur für den Restbetrag der in 2021 ausgeführten Leistungen muss der Privatkunde 19 Prozent Umsatzsteuer zum Nettorechnungsbetrag bezahlen.

Praxis-Tipp: Doch aufgepasst! Bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung haben die Prüfer der Finanzämter gezielt Ausschau nach Gefälligkeitsrechnungen gehalten. Das sind Rechnungen, bei denen Teilleistungen mit einem niedrigeren Umsatzsteuersatz abgerechnet werden, obwohl die Voraussetzungen für Teilleistungen gar nicht erfüllt waren. Vereinbaren Sie mit Privatkunden also nur dann Teilleistungen, wenn die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. Sonst bleiben Sie bei einer späteren Prüfung durch das Finanzamt schlimmstenfalls auf dem Differenzbetrag zwischen dem niedrigeren und dem höheren Umsatzsteuersatz sitzen. 

Um Teilleistungen im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 mit 16 Prozent Umsatzsteuer abrechnen zu können, sind insbesondere die folgenden vier Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Bei der Teilleistung muss es sich um einen wirtschaftlich abgrenzbaren Teil einer Werklieferung oder Werkleistungen handeln (wirtschaftliche Teilbarkeit).
  • Der Leistungsteil, muss, wenn er Teil einer Werklieferung ist, abgenommen worden sein (gesonderte Abnahme); ist er Teil einer Werkleistung, muss er vollendet oder beendet worden sein.
  • Es muss vereinbart worden sein, dass für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung entsprechende Teilentgelte zu zahlen sind (gesonderte Vereinbarung).
  • Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden (gesonderte Abrechnung).

Ausführliche Informationen, welche Handwerkerleistungen wirtschaftlich überhaupt teilbar sind, kann einem Merkblatt des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2009 entnommen werden, das hinsichtlich der Teilleistungen nach wie vor gültig ist (abrufbar hier).

Beispielsfall zur Behandlung von Anzahlungsrechnungen: 16 Prozent oder 19 Prozent Umsatzsteuer?

Seit 1. Juli 2020 müssen Unternehmer bei Ausführungen von Leistungen bis zum 31. Dezember 2020 nur noch 16 Prozent Umsatzsteuer ausweisen. Doch was ist umsatzsteuerlich zu beachten, wenn in der Schlussrechnung 16 Prozent Umsatzsteuer ausgewiesen werden, jedoch Anzahlungen vor dem 1. Juli 2020 mit 19 Prozent Umsatzsteuerausweis vereinnahmt wurden. Was gilt, wenn eine Leistung in 2020 ausgeführt und die Rechnung erst im Januar 2021 gestellt wird.  In jedem Fall heißt: Aufpassen, dass nicht zu viel Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt werden muss .

Typischer Fall aus der Praxis

Handwerkerin Müller stellt im Dezember 2020 eine Rechnung über Bauleistungen die zwischen April 2020 und Dezember 2020 erledigt wurden. Die Abnahme der Bauarbeiten erfolgt im Dezember 2020. Die Schlussrechnung lautet über 30.000 Euro zzgl. 4.800 Euro Umsatzsteuer (Umsatzsteuersatz 16 Prozent). Im April hat Frau Müller von ihrem Kunden bereits eine Anzahlung von 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro Umsatzsteuer (Umsatzsteuersatz 19 Prozent) erhalten. Die Rechnung wird im Januar 2021 gestellt.

Folge: Dass nur 16 Prozent Umsatzsteuer ausgewiesen werden, ist korrekt. Denn die Leistung wurde im Jahr 2020 – und zwar im zweiten Halbjahr ausgeführt. Der Zeitpunkt der Rechnungsstellung erst im Januar 2021 hat keine Auswirkung auf die Höhe des Umsatzsteuersatzes.

Die Schlussrechnung sollte folgendermaßen aussehen :

Vereinbartes Entgelt für die Bauleistungen lt. Vertrag vom 3. April 2020: 30.000 Euro zzgl. 16 Prozent Umsatzsteuer 4.800 Euro = Auftragssumme brutto 34.800 Euro abzüglich erhaltener Anzahlungen vom 14. April 2020 über netto 20.000 Euro zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer 3.800 Euro. Nach Abzug der Anzahlung ist noch der verbleibende Restbetrag in Höhe von 11.000 Euro.

Berichtigung der Umsatzsteuer in Umsatzsteuervoranmeldung

Insgesamt schult Frau Müller aus den erbrachten Bauleistungen die 16-prozentige Umsatzsteuer, also 4.800 Euro, weil die Leistung durch die Abnahme im Dezember als ausgeführt gilt. Und im Dezember 2020 greift noch der Regelsteuersatz von 16 Prozent. Müller hat für diesen Umsatz jedoch bereits bei Erhalt in der Umsatzsteuervoranmeldung April 3.800 Euro Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt. Es müssen also unter dem Strich nur noch 1.000 Euro zusätzlich ans Finanzamt abgeführt werden.

Damit die Handwerkerin Müller nicht zu viel Umsatzsteuer ans Finanzamt abführt, muss er in seiner Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember in Zeile 28 den Nettoumsatz von 30.000 Euro einzutragen, was zu einer Umsatzsteuerzahllast von 4.800 Euro führt. In Zeile 26 ist die erhaltene Anzahlung in Höhe von 20.000 Euro mit einem Minuszeichen einzutragen. Das führt zu einer Umsatzsteuererstattung von 3.800 Euro. Folge: Unter dem Strich werden jetzt nur noch die 1.000 Euro Umsatzsteuer zur Zahlung fällig (Umsatzsteuer zu 16% = 4.800 Euro abzgl. 19%ige Umsatzsteuer aus erhaltener Anzahlung 3.800 Euro).

MwSt-Sonderfall: Betriebe mit Restaurantbetrieb

Stellen Handwerksbetriebe wie Bäckereien oder Metzgereien nicht nur Produkte her, sondern bieten in einem Restaurant oder Gastbereich auch Speisen zum Verzehr an, müssen in puncto Mehrwertsteuerreform folgende Punkte beachtet werden:

  • In der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 muss nicht mehr unterschieden werden, ob ein Kunde die Speisen vor Ort verzehrt oder ob er diese mitnimmt. Es muss für den Verkauf von Speisen in diesem Zeitraum generell nur der ermäßigte Steuersatz ausgewiesen werden (bis zum 31. Dezember 2020 also nur fünf Prozent).
  • Ab 1. Januar 2021 müssen Kassen und Buchhaltungssoftware angepasst werden. Er wird zwar bis zum 30. Juni 2021 nach wie vor nur die ermäßigte Umsatzsteuer fällig, ab 1. Januar 2021 dann aber wieder sieben Prozent.
  • Wichtig zu beachten: Diese Ausnahmeregelung zum ermäßigten Steuersatz in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 gilt nur für den Verkauf von Speisen. Für Getränke muss wie bisher der Regelsteuersatz bei der Umsatzsteuer ausgewiesen werden.

BMF-Schreiben helfen bei Fragen

Hier eine Auswahl an Schreiben des Bundesfinanzministeriums und Informationen rund um das Thema Mehrwertsteuersenkung und Mehrwertsteuererhöhung :

1. Be­fris­te­te Ab­sen­kung des all­ge­mei­nen und er­mä­ßig­ten Um­satz­steu­er­sat­zes zum 1. Ju­li 2020 >>> abrufbar hier

2. Fragen zur Absenkung und zur Erhöhung des Umsatzsteuersatzes >>> abrufbar hier

3. Weitere Infos zur umsatzsteuerlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit der Corona-Krise >>> abrufbar hier